Buchbesprechung: „Der tanzende Direktor“ - Verena Friederike Hasel 

Von Nadine Schmidt 

In Der tanzende Direktor von Verena Friederike Hasel wird das neuseeländische Schulsystem dem Deutschen gegenübergestellt. Die Autorin hat mit ihren drei Kindern einige Jahre in Neuseeland gelebt und sich in dieser Zeit intensiv mit dem dortigen, im internationalen Vergleich sehr erfolgreichen, Schulsystem auseinandergesetzt. Dazu hat sie im ganzen Land Schulbesuche vorgenommen und mit zahlreichen Lehrpersonen und Direktor*innen gesprochen. Ihre Beobachtungen und Erkenntnisse teilt sie nun in diesem Buch anhand konkreter Unterrichtssituationen, die sie erlebt hat. Die wichtigsten davon sind folgende: 

- Der individuelle Ausdruck der Schüler und Schülerinnen wird hoch gewichtet. Der alleinige Zweck des Schreibens liegt darin, den Gefühlen Ausdruck zu verleihen und eigene Geschichten und Erfahrungen mitzuteilen. Die Buchstaben werden mit allen Sinnen gelernt (beispielsweise über das Spüren auf dem Rücken) und mit eigenen Bezugspunkten verknüpft. Ein Radiergummi wird dabei nicht benötigt, denn Fehler sind ein wichtiger Schritt im Lernprozess. Auch die Lehrpersonen machen (absichtliche) Fehler, um den Schülern und Schülerinnen den Umgang damit vorzuleben. Der Unterricht findet auf Augenhöhe aber keinesfalls antiautoritär statt. Es werden hohe Ansprüche gestellt und die Ziele sind klar. Lediglich der Weg hin zum Ziel ist flexibel. 

- Jede Schule hat ihre unverhandelbaren Werte und Regeln. Die Schule, welche die Kinder der Autorin besuchten, hatten die Werte Respekt, Resilienz, Verantwortung und Whanaungatanga. Letzteres ist ein Begriff der Maori und beschreibt die Überzeugung, dass man Glück erfährt, wenn man sich für Andere und die Gemeinschaft einsetzt. Das eigene Glück ist immer mit dem der Anderen verknüpft. Diese Werte werden nicht separat vom Fachlichen vermittelt, sondern die Schulwerte sind stets auch Unterrichtsinhalt. Die Kinder sollen Empathie lernen und nicht im Wettbewerb untereinanderstehen. Generell wird jede Gelegenheit genutzt, um ein Gemeinschaftserlebnis zu erzeugen. So werden Texte beispielsweise häufig im Chor vorgetragen. 

- Alle Schulen Neuseelands ziehen an einem Strang. Vermittler und Vermittlerinnen besuchen Schulen im ganzen Land und teilen den Lehrpersonen praxisnah die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Lernpsychologie mit. Die Vermittler und Vermittlerinnen sollen nicht belehren und prüfen, sondern Tipps geben und den Austausch fördern. Dank diesem System ist es möglich, dass eine geniale Idee einer Lehrperson aus einem Dorf die Chance hat weitergetragen zu werden. 

Das Buch erzählt von einem Schulsystem, wie wir vermutlich alle es uns sehnlichst wünschen, ohne dabei utopisch zu wirken. Die Autorin doziert nicht, sondern schildert anschaulich und bringt dabei ihre eigene Bewunderung und Faszination, welche sie bei den Schulbesuchen erlebt hat, zum Ausdruck. In Der tanzende Direktor wird von der Volksschule berichtet, der Instrumentalunterricht wird aussen vorgelassen. Trotzdem empfinde ich das Buch auch aus Sicht der Instrumentallehrperson als lohnenswert. Viele Werte und Grundsätze lassen sich auf den Instrumentalunterricht übertragen. Analog zum Schreiben kann man den alleinigen Zweck des Musizierens auf den persönlichen Ausdruck legen. Die Neuseeländer sehen den Weg zum Glück in der Gemeinschaft – weshalb ist dann das Musizieren in Gruppen bei uns die Ausnahme und nicht die Regel? Sollte sich jede Instrumentallehrperson einmal drei bis vier Werte überlegen und den Unterricht strikt danach auslegen? Sollten wir ebenfalls Vermittler und Vermittlerinnen haben? 

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