Von Unterrichtsdokumentation als Wertschätzung – und ein App-Tipp
von Michael Boner
In unserer Lehrtätigkeit sind wir wohl alle in hohem Mass durch unsere eigene Lernbiografie geprägt. Viele Entscheidungen, die ich heute als Lehrperson treffe, lassen sich auf Erfahrungen aus meiner eigenen Lernbiografie zurückführen. Ich orientiere mich an Methoden, die mich damals motivierten – distanziere mich aber auch bewusst von Herangehensweisen, die ich rückblickend als lernhemmend empfand.
Rückblick: Gitarrenunterricht in den 1990er-Jahren
Als ich in den frühen 1990er-Jahren mit dem Gitarrenunterricht begann, war die pädagogische Herangehensweise im Instrumentalunterricht in vielerlei Hinsicht noch deutlich anders als heute. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Lektion, in der ich den Wunsch äusserte, das Solo des Songs Stairway to Heaven zu lernen. Mein Lehrer verbrachte daraufhin die gesamte Stunde damit, das Solo mit einem CD-Player herauszuhören – digitale Hilfsmittel zum Verlangsamen von Aufnahmen oder Notenplattformen standen damals noch nicht zur Verfügung. Am Ende der Lektion überreichte er mir ein handschriftlich notiertes Tabulaturblatt – ohne dass wir in der gesamten Stunde einen Ton gespielt hätten.
Bei anderen Lehrpersonen arbeiteten wir uns einfach systematisch durch ein Lehrmittel. Dabei fiel mir auf, dass mein damaliger Lehrer jeweils erst zu Beginn der Stunde ins Buch sah, um sich zu orientieren, wo wir aktuell stehen. Das vermittelte mir als Kind etwas den Eindruck von Austauschbarkeit. Ob ich mich an diese Unterrichtsszenen heute noch korrekt erinnere, kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang auch zu betonen, dass ich hier lediglich den Umgang mit Unterrichtsdokumentation und der damit verknüpften Unterrichtsvorbereitung thematisieren, und keineswegs ein gesamthaftes Urteil über Lehrpersonen fällen möchte. Gerade der erwähnte Lehrer, der für mich «Stairway to Heaven» transkribiert hatte, war generell ein wichtiger und positiver Einfluss in meiner musikalischen Lern-Biografie.
Gute Dokumentation als Form der Wertschätzung
Als ich Jahre später selbst zu unterrichten begann, war es mir ein zentrales Anliegen, meinen Unterricht – auch auf der Ebene der Dokumentation – professionell zu gestalten. Ich möchte, dass meine Schüler*innen spüren, dass ich weiss, wo sie stehen – technisch, musikalisch und in ihrem persönlichen Prozess beim Kennenlernen der Welt der Musik – und dass die von mir vorbereiteten Unterrichtsinhalte diese Informationen widerspiegeln.
Für mich ist dies eine Form von Wertschätzung und gleichzeitig die Grundlage für eine vertrauensvolle Lehrer-Schüler*innen-Beziehung.
Vom Notizheft zur digitalen Lösung
Wie viele Kolleg*innen begann auch ich meine Lehrtätigkeit mit einem klassischen Notizheft, in dem ich zu jeder Schülerin und jedem Schüler handschriftliche Notizen anlegte. Mit der fortschreitenden Digitalisierung begann ich dann auch, meine Unterrichtsnotizen digital mit Excel- oder Word-Dokumenten zu erfassen.
Allerdings empfand ich diesen Ansatz in der Praxis häufig als umständlich. Es fehlte mir der schnelle Zugriff auf relevante Informationen. Wenn sich beispielsweise die Frage stellte: Welche Stücke haben wir vor drei Semestern behandelt? In Excel-Listen oder physischen Notizheften braucht dies einen gewissen Aufwand zur Rekonstruktion. Zwar erstellte ich ergänzend Repertoirelisten, doch die Vielzahl an parallelen Dokumenten führte nicht zu einem effizienteren Workflow.
Anforderungen an digitale Tool
Digitale Tools sollten genau hier ihre Stärken ausspielen: Ein schneller Wechsel zwischen verschiedenen Ansichten – etwa formulierte Zielsetzungen, Repertoireübersicht, Verlauf der letzten Lektionen, didaktische Überlegungen und noch offene To-dos (wie das Transkribieren eines Schüler*innen-Wunsches, Stichwort «Stairway to Heaven») – sollten problemlos möglich sein.
Die Vision eines solchen Programms schwebt mir schon länger vor. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder Gespräche mit Kolleg*innen und Bekannten geführt, die sich mit Programmieren etc. auskennen. Ich habe auch bereits AI-Programme gefragt ob sie mir eine Excel-Liste so programmieren könnten. Leider scheiterte es an mangelnden zeitlichen Ressourcen oder meiner zu kleinen Programmierkompetenz selbst ein solches Tool zu entwickeln. Natürlich gibt es bereits seit längerem verschiedene Programme oder Apps, die sich teilweise dafür eigneten, jedoch scheiterten für mich viele davon an der Nutzerfreundlichkeit, an der Komplexität in der Einrichtung oder an einem zu hohen Initialaufwand. Mein Wunsch war ein Tool, das niederschwellig nutzbar ist – ohne dass zuerst ein ganzer Arbeitstag in die Einrichtung von Schülerprofilen, Notenbibliotheken oder Titellisten etc. investiert werden muss.
Meine aktuelle App-Entdeckung
Im Rahmen eines Austauschs des EGTA-Vorstands kamen wir diesen Sommer auf digitale Tools für die Unterrichtsdokumentation zu sprechen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits von Eleno gehört (entwickelt von einem ehemaligen Jazzgitarren-Studenten der ZHdK), hatte die App jedoch noch nicht getestet. Dieses Gespräch nahm ich zum Anlass, Eleno auszuprobieren.
Mein Eindruck ist seither durchwegs positiv: in vielen Punkten erfüllt die App genau meine gewünschten Funktionen. Um ein Schülerprofil anzulegen, genügen ein Name und eine Unterrichtszeit. Innerhalb weniger Minuten hatte ich einen Arbeitstag aufgesetzt und war startklar um die App einzusetzen. Die Benutzeroberfläche ist übersichtlich gestaltet, die Navigation intuitiv. Wichtige Funktionen wie Hausaufgabenverwaltung, Notizen, Repertoirelisten, To-dos und Verlauf der letzten Lektionen können übersichtlich nebeneinander eingeblendet werden oder sind mit einem Klick aufrufbar. Gleichzeitig ist es möglich, die App auch sehr reduziert zu nutzen, wenn man zum Beispiel einfach nur notieren möchte wie die Lektionen verliefen.
Ein weiterer für mich zentraler Aspekt ist der Datenschutz: Nach meinem Eindruck legt Eleno hier grossen Wert auf Transparenz und vertrauenswürdige Partner, was auf der Website auch entsprechend kommuniziert wird.
Natürlich sehe ich weiterhin Verbesserungspotenzial. Eine Funktion, die ich mir beispielsweise wünschen würde, ist eine Tagesübersicht, um rasch einen Überblick über alle Schüler*innen eines Unterrichtstags zu erhalten – insbesondere mit Blick auf die Vorbereitung zum Beispiel des Folgetags. Im Vergleich zu den Herausforderungen, mit denen ich vor der Nutzung von Eleno konfrontiert war, handelt es sich dabei jedoch um Kritik auf hohem Niveau.
Wer die App ausprobieren möchte, kann sie 30 Tage gratis testen. https://eleno.net
Es gibt sicher viele Programme und Apps für den Instrumentalunterricht, mit denen ich nie in Kontakt kam (grundsätzlich braucht es ja auch nicht für alles eine App, gerade für Sachen die bereits analog gut funktionieren). Wenn ihr Tipps für mich habt, freue ich mich immer darüber!